Geschichte des Werkkreis Literatur der Arbeitswelt


Der Werkkreis Literatur der Arbeitswelt wurde am 7. März 1970 in Köln von Erasmus
Schöfer (Köln), Horst Kammrad (Berlin), Peter Schütt (Hamburg) sowie mehreren Ruhrpott-
Autoren mit Unterstützung von Günter Wallraff, Max von der Grün, Erika Runge, Angelika
Mechtel u.a. gegründet. Die Initiatoren, meist aus der Dortmunder Gruppe 61
hervorgegangen, wollten nicht nur die betriebliche Arbeitswelt zum Thema der Literatur
machen, sondern die Betroffenen selbst ermutigen und in örtlichen Werkstätten befähigen,
sich schreibend mit ihrer gesamten Lebenswelt und den gesellschaftlichen Verhältnissen
auseinander zu setzen. Angestrebt wurde eine über dokumentarische Berichterstattung hinaus
gehende, den Emanzipationskampf von Gewerkschaften, Protestbewegungen und
Bürgerinitiativen um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen unterstützende, vor allem
operative Literatur. Die ersten Werkstätten entstanden im Ruhrgebiet, Berlin und Hamburg.
Der Verband deutscher Schriftsteller (VS) beschloss auf seinem ersten Kongress 1970 in
Stuttgart auf Antrag von Erasmus Schöfer, Heinrich Böll, Martin Walser u.a., dass die
Berufsschriftsteller den Werkkreis unterstützen sollen. Auch ein Grafik-Werkkreis wurde
noch 1970 gegründet.

Schreibaufrufe führten 1970/71 zu ersten Sammelbänden bei Rowohlt („Ihr aber tragt das
Risiko“) und im Piper-Verlag („Ein Baukran stürzt um“, „Lauter Arbeitgeber“). Die Fischer-
Taschenbuch-Reihe des Werkkreis hat Literaturgeschichte geschrieben: Zwischen 1973 und
1988 veröffentlichten die Werkstätten 60 Bände mit Romanen, Geschichten und Gedichten in
einer Gesamtauflage von weit über einer Million Bücher. Dazu kam der von Martin Walser
herausgegebene Band „Die Würde am Werktag“. Es folgten die „Neue Kollektion“ und
Sammelbände u.a. im Bund-Verlag, der Europäischen Verlagsanstalt, Büchergilde Gutenberg,
Asso-Verlag, kulturmaschinen und vielen kleineren Verlagen.

Mit dem Niedergang der Industriegebiete an Rhein und Ruhr verlagerte sich der Schwerpunkt
des Werkkreises in den Süden Deutschlands. Die Werkstätten München, Augsburg und
Nürnberg wurden federführend und publizierten meist aus Schreibaufrufen hervorgegangene
Lesebücher wie „Land der Amigos“ (1995), „Uns reichts“ (2001), „Nürnberger Lesebuch für
Literatur der Arbeitswelt“ (2007), „Nur das halbe Leben“ (2010), „Nachdenken über NSX“
(2014) und aktuell zur digitalen 4. Industriellen Revolution: „Nachdenken über 4.0“ (2019).